Lilith
Mythische Urgestalt zwischen Dämonin, Urfrau und feministischer Symbolfigur
Definition:
Lilith ist eine ambivalente Gestalt der jüdischen Mythologie, die in späterer Auslegung auch mit der Bibel in Verbindung gebracht wird. In apokryphen und mystischen Texten gilt sie als erste Frau Adams – vor Eva –, die sich ihm jedoch nicht unterordnete und aus dem Paradies floh. In anderen Traditionen wird sie als Nachtdämonin, Kindsmörderin oder Verführerin beschrieben. Heute ist Lilith auch ein Symbol weiblicher Unabhängigkeit, Urkraft und Schattenarbeit.
Biblischer und außerbiblischer Ursprung:
In der kanonischen Bibel erscheint Lilith nur ein einziges Mal – Jesaja 34,14 –, wo im hebräischen Urtext von lilit (לִילִית) die Rede ist. Dort wird sie in einer Liste von Wüstengestalten genannt und oft als „Nachtgespenst“ oder „Eulenwesen“ übersetzt.
Ihre eigentliche mythologische Bedeutung entfaltet sich jedoch erst in jüdisch-apokryphen, talmudischen und kabbalistischen Schriften, besonders:
Alphabet des Ben Sira (ca. 8.–10. Jh. n. Chr.):
Hier erscheint Lilith als Adams erste Frau, die aus dem gleichen Erdmaterial erschaffen wurde. Sie weigert sich, sich Adam unterzuordnen („wir sind gleich geschaffen“) und verlässt das Paradies. Danach wird Eva aus Adams Rippe geformt.
Talmud und Kabbala:
Lilith erscheint als Dämonin, die Männer im Schlaf verführt (Inkubi-Symbolik), Kinder gefährdet und mit Samael, dem „Engel des Todes“, verbunden ist.
Symbolische Bedeutung:
Je nach kulturellem oder spirituellem Kontext trägt Lilith unterschiedliche Deutungen:
In der Mystik: Symbol für Schatten, Versuchung, Grenzüberschreitung und ungelebte Anteile des Selbst
In der Astrologie: Der sog. „schwarze Mond Lilith“ steht für ungezähmte, instinktive weibliche Energie und Tabuthemen
In der feministischen Spiritualität: Lilith gilt als Archetyp der selbstbestimmten, wilden Frau, die sich gegen männliche Dominanz auflehnt
In der Psychologie: Bild für das Verdrängte, Wilde, Unangepasste – oft assoziiert mit tiefen Anteilen des Unbewussten
Moderne Rezeption:
In der Gegenwart ist Lilith zu einer beliebten Figur in Literatur, Kunst und alternativer Spiritualität geworden. Sie steht für:
Weibliche Urkraft jenseits gesellschaftlicher Rollenbilder
Selbstbestimmung und sexuelle Autonomie
Die Rückkehr des „göttlich Weiblichen“ in spirituellen Systemen
Schattenarbeit und die Integration unterdrückter Persönlichkeitsanteile
Verwandte Begriffe:
Eva, Samael, Schattenarbeit, Archetyp, Schwarzer Mond, Weibliche Urkraft, Kabbala, Gnosis