🕊️ 1. Ruḥ / Rūḥ in semitischen Traditionen (روح)
Im Arabischen, Hebräischen und verwandten Sprachen bedeutet „Ruḥ“ (Arabisch: روح, Hebräisch: רוּחַ ruach) Geist, Atem oder Wind – ein zutiefst spiritueller Begriff.
✡️ Im Judentum (Ruach / רוּחַ):
Ruach Elohim = der Geist Gottes, der in der Genesis über den Wassern schwebte.
Bezieht sich auf göttliche Gegenwart, Inspiration, Prophezeiung und sogar Stimmungen (wie ruach ra'ah – ein böser Geist).
Kann göttlichen Atem, inneres Leben oder prophetische Kraft bedeuten.
☪️ Im Islam (Rūḥ / روح):
Erscheint im Koran als Rūḥ al-Qudus („Heiliger Geist“) – oft verstanden als der Engel Dschibril (Gabriel) oder eine göttliche Kraft.
Rūḥ ist die immaterielle Seele oder der göttliche Atem, der Adam gegeben wurde (Koran 15:29).
Beschrieben als „auf Befehl meines Herrn“ kommend, was Mysterium und Heiligkeit betont.
„Sie fragen dich nach dem Geist. Sprich: Der Geist kommt auf Befehl meines Herrn.“ – Koran 17:85
🔮 2. Ruha in der mandäischen Kosmologie
In der mandäischen Religion (einer gnostischen Sekte aus Mesopotamien) nimmt Ruha eine ganz andere, dualistischere Rolle ein:
👁️🗨️ Ruha d-Qudsha (im Mandäismus):
Eine weibliche kosmische Figur, die oft als ambivalent oder gar dämonisch angesehen wird.
Verbunden mit der materiellen Welt, Illusion und Tod.
Im Gegensatz zur höheren Lichtwelt (alma d-nhura), wo die wahren göttlichen Wesen wohnen.
Manchmal wird sie auch Ruha d-Qudsha („Heiliger Geist“) genannt, doch im Mandäismus wird sie nicht wie im Christentum positiv gesehen, sondern als eine Kraft der Bindung oder Täuschung in den niederen Welten.
Dies spiegelt den gefallenen Aspekt der Sophia in einigen gnostischen Systemen wider – ein in die materielle Welt gefallener Weisheitsgeist.
🧘 3. Ruha als Atem und Lebenskraft (mystische und esoterische Traditionen)
In der universelleren Mystik kann das Konzept von Ruha wie folgt verstanden werden:
Der subtile Atem des Lebens, der alles belebt.
Entspricht Prana in der indischen Philosophie, Chi im Taoismus oder Anima im neuplatonischen Sinne.
In der Sufi-Metaphysik ist Ruḥ der göttliche Aspekt der Seele – nicht nur die Psyche, sondern ein heiliger Funke Gottes im Inneren.
🌬️ Gemeinsamkeiten zwischen Traditionen
Begriff Sprache Bedeutung Kontext
Ruach Hebräisch Wind, Atem, Geist Hebräische Bibel, Kabbala
Rūḥ Arabisch Seele, Geist, göttlicher Atem Koran, Sufismus
Ruha Aramäisch/Mandäisch Kosmischer weiblicher Geist (oft gefallen) Gnostische/Mandäische Religion
Pneuma Griechisch Geist, Atem, Lebenskraft Christliche Theologie, Stoizismus
Prana / Qi Sanskrit / Chinesisch Lebensenergie Yoga, Taoismus
✨ Esoterische & philosophische Interpretationen
In Kabbala, Sufismus und Hermetik ist „Ruha/Ruach“ Teil eines mehrschichtigen Seelenmodells:
Beispiel aus der Kabbala:
Nefesh – Tierseele (Lebenskraft)
Ruach – Emotionale/spirituelle Seele (moralisches und ethisches Selbst)
Neshamah – Höhere Seele (göttlicher Intellekt)
Ruach oder Ruha ist also die Brücke zwischen Körper und Göttlichem – das Vehikel der Transformation.