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Das Licht dazwischen

Das Licht dazwischen

Eliot Hayes war kein Mann des Glaubens. Zahlen, nicht Wunder, hatten seine Welt erbaut. Eliot, ein angesehener Bauingenieur in San Francisco, führte ein präzises, maßvolles und vollkommen erdverbundenes Leben. Er glaubte an das, was er sehen, berühren und mit Stahl und Beton bauen konnte. Das Leben hatte Regeln. Der Tod auch.

Doch an einem kalten Märzmorgen änderten sich die Regeln.

Eliot fuhr zu einem Meeting und wurde durch das Vibrieren seines Handys abgelenkt. Eine Nachricht von seiner Schwester: Ruf mich an. Es ist dringend. Im Bruchteil einer Sekunde blickte er nach unten. Vor ihm auf der nassen Autobahn kippte ein Sattelschlepper um. Reifenquietschen, Scheinwerferblitze, dann Schwarz.

Totales, erstickendes Schwarz.

Aber es war kein Nichts.

Er stand – oder schwebte er? – in einer riesigen, weißen Fläche. Nicht kalt, nicht warm. Einfach … reglos. Der Schmerz war weg. Der Lärm, weg. Und vor ihm erschien eine Gestalt, die in einem seltsamen Glanz schimmerte, der seine Augen nicht schmerzte. Kein Engel. Nicht ganz. Aber vertraut.

Es war sein Vater.

Eliot hatte seinen Vater zwölf Jahre lang nicht gesehen, nicht seit der Krebs ihn dahingerafft hatte. Er wirkte gesund, voller Energie – sogar jünger, als Eliot ihn in Erinnerung hatte. Sie sprachen nicht mit Worten, doch Eliot spürte alles. Eine Entschuldigung. Eine tiefe Liebe. Ein Leben voller Unausgesprochenem, nun in Sekundenschnelle übertragen.

„Du bist noch nicht fertig“, sagte sein Vater schließlich laut, mit einer Stimme wie Wind in den Bäumen. „Aber du musstest dich daran erinnern.“

„An was erinnern?“

„Dass das Leben nicht nur aus Drähten und Gewichten besteht. Zwischen den Zeilen liegt ein Sinn.“

Und plötzlich verwandelte sich das Licht in einen Tunnel und zog Eliot zurück. Das Gefühl war heftig – als würde er gegen seinen eigenen Körper prallen. Er keuchte auf einer Trage auf, Sanitäter standen um ihn herum und riefen seinen Namen.

„Du warst zwei Minuten lang völlig platt“, sagte einer von ihnen kopfschüttelnd. „Wir dachten, wir hätten dich verloren.“

Zuhause, verletzt, aber am Leben, konnte Eliot es nicht erklären. Nicht den Ärzten. Nicht den Freunden. Das Erlebnis verfolgte ihn – nicht wie ein Geist, sondern wie eine Wärme. Ein Geheimnis.

Er rief seine Schwester häufiger an. Spendete anonym an ein Hospiz. Er begann sogar wieder zu malen, etwas, das er seit dem College nicht mehr getan hatte. Abstrakte Farben, die für andere wie Chaos wirkten – für ihn aber wie Licht.

Wenn man ihn fragte, sagte er immer dasselbe:

„Ich weiß nicht, was nach diesem Leben kommt. Aber ich weiß, dass es wichtig ist, dass wir jetzt hier sind. Und vielleicht – nur vielleicht – ist es noch wichtiger, was wir mit der Zeit anfangen, die wir fast verloren hätten.“

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