In einer staubigen Stadt am Rande der Wüste lebte ein junger Mann namens Idris. Er war Töpfer, ein einfacher Handwerker, dessen Tage von Ton und Hitze erfüllt waren. Doch in ihm brannte etwas, das kein Wasser löschen konnte: eine unaussprechliche Sehnsucht.
Nach was – das wusste er nicht.
Eines Tages, als Idris gerade eine Schale auf der Drehscheibe formte, betrat ein alter Derwisch die Werkstatt. Sein Gewand war schlicht, aber seine Augen – sie waren wie Brunnen ohne Grund.
Der Derwisch betrachtete die Schale und sagte leise:
„Du drehst Ton – aber suchst du nicht das, was dich dreht?“
Idris hielt inne.
Etwas in diesen Worten vibrierte tief in ihm. Der Derwisch nickte sanft, als hätte er eine verborgene Saite in Idris zum Schwingen gebracht, und verließ die Werkstatt ohne ein weiteres Wort.
In der Nacht konnte Idris nicht schlafen. Die Worte hallten wie ein Gebet in ihm nach. Und so begann seine Reise – nicht über Meere oder Berge, sondern nach innen.
Er folgte den Spuren der Liebenden. Den Sufis. Den Trunkenen Gottes.
Er saß mit ihnen in Stille. Er drehte sich im Tanz der Derwische, bis Raum und Zeit zu Staub wurden. Er sprach Verse, die keine Belehrung waren, sondern Brücken zum Herzen:
Ich war tausend Jahre Staub in deiner Hand,
ehe ich deinen Namen kannte.
Jetzt bin ich Staub in deinem Atem –
und tanze.
Er lernte, dass Gott kein ferner Richter war, sondern eine Nähe jenseits von Nähe, die sich nur offenbart, wenn der Schleier des Ich fällt.
Dass das Herz nicht ein Organ war, sondern ein Spiegel – und dass jeder Makel auf ihm ein Schatten zwischen ihm und dem Einen war.
Sein Lehrer, ein schweigender Sufi namens Rahman, sagte einmal:
„Gott ist nicht verborgen. Du bist es.“
Und eines Nachts, als Idris ganz leer geworden war – leer von Wollen, leer von Wissen, leer von sich selbst – trat Liebe in ihn ein wie ein Duft, der nicht kam, sondern entdeckt wurde.
Keine Vision. Keine Stimme. Nur ein tiefes, vibrierendes Wissen:
„Ich war immer bei dir. Du hast nur in den Spiegel geschaut – nicht in das Licht, das ihn berührt.“
Von da an sprach Idris nicht viel. Aber wer ihm begegnete, spürte Frieden – nicht laut, sondern wie ein stilles Lied, das lange vergessen war.
„Was hast du gefunden?“, fragte ihn einmal ein Kind.
Idris lächelte.
„Mich – im Nichts. Und im Nichts – Ihn.“
Denn so flüstert der Sufismus seit Jahrhunderten:
Nicht durch Wissen, nicht durch Macht –
sondern durch Liebe, Hingabe und Auflösung des Selbst
tanzt der Mensch zurück in die Arme des Einen.