Haus Nummer 6
In einer Seitenstraße stand ein dreistöckiges Haus, dessen Fenster stets halb geöffnet waren. Keiner wohnte dort, und doch schien immer jemand darin zu gehen. Amelie, die neu in die Stadt gezogen war, konnte von ihrem Küchenfenster direkt auf das Dach blicken. In den ersten Nächten hörte sie dort oben Schritte – gleichmäßig, ungeduldig.
Eines Abends beschloss sie, hineinzugehen. Die Tür war nicht verschlossen. Drinnen war es kühl, aber nicht unangenehm. Jeder Raum war leer, bis auf ein einzelnes Möbelstück: einen hohen, schmalen Spiegel im Flur. Darin sah sie sich – und hinter sich einen Mann im schwarzen Mantel. Sie drehte sich um. Niemand.
Später erfuhr sie von einer Nachbarin, dass das Haus einem Uhrmacher gehört hatte, der eines Nachts verschwand. „Man sagt, er sucht immer noch nach der Uhr, die nie ging“, meinte die Frau. Amelie stellte in ihrem eigenen Wohnzimmer eine Uhr auf – eine, die absichtlich stehen geblieben war. Seitdem hörte sie nachts keine Schritte mehr.
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